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Сообщение / Die Übersetzung / Изменения
автор minsksolidarity, дата 2010-10-10 11:59
автор minsksolidarity, дата 2010-10-11 18:13, журнал модерации

einführung: Am Abend des 30. August 2010 haben unbekannte Schwarzvermummte 2

Molotov-Coctails in das Gelände der Russischen Botschaft in Minsk, Belarus

(Weissrussland) geworfen. Dabei ist ein Diplomatenauto, ein Mazda 3, in Flammen

aufgegangen.

Am Morgen des 3. September 2010 wurden 7 Anarchist_innen verhaftet. In der darauf

folgenden Zeit wurden in ganz Belarus Häuser und Wohnungen durchsucht, Sachen

beschlagnahmt, Menschen verhört und verhaftet. Die Repression dauert bis heute an.

Der hier publizierte Text soll eine kleine Übersicht bieten, über die Geschehnisse.

Er wurde nur aus englischen Quellen übersetzt und ist desshalb nicht vollständig.

Wer die Situation in Belarus nicht kennt, sollte ev. zuerst die Notizen am Schluss

lesen.

Montag, 30. August 2010

Am Abend um ca. 22.00 Uhr haben unbekannte Schwarzvermummte 2 Molotov-Coctails in

das Gelände der Russischen Botschaft in Minsk geworfen. Dabei ist ein

Diplomatenauto, ein Mazda 3, in Flammen aufgegangen.

Dieses Ereignis hat in den russischen und belarussischen Medien für grosses Aufsehen

gesorgt. Es tauchten Gerüchte auf, dass dies eine Aktion der Belarussische Regierung

sein könnte. Der weissrussische Präsident Lukashenko hat, zum Ärgernis Moskaus, eine

Beteiligung Russlands nicht ausgeschlossen.

Donnerstag, 2. September 2010

Auf belarus.indymedia.org und belarus.avtonom.org ist folgendes Communique erschienen.

Am Abend des 30.August 2010 hat eine Gruppe Anarchist_innen die russische Botschaft

in Minsk mit Molotov-Coctails angegriffen. Eines der Diplomatenautos ist

ausgebrannt. Mit dieser Aktion bringen wir unsere Wut und unseren Protest über die

Verhaftungen der Verteidiger_innen des Khimki Waldes in Moskau und über die

Repression gegen sie zum Ausdruck.

Während unsere Freunde von faschistischen Söldnern verprügelt werden, verfolgt und

verhaftet die Bereitschaftspolizei unschuldige Leute – Drohungen und Verhaftungen

wurden zur täglichen Routine. Unsere Freunde müssen jetzt in Gefängnissen leiden

oder mit der Angst leben, inhaftiert zu werden, nur weil sie für Freiheit, Mensch

und Umwelt kämpfen.

Aber Bürokrat_innen und Kapitalist_innen interessieren sich nur für ihre

Schmiergelder und Profite, es kümmert sie nicht, was morgen passiert, sie sind

bereit jeden Protest oder jede Uneinigkeit mit Grausamkeit abzuwürgen. Was kommt als

nächstes – die Todeskommandos?

Wir erklären uns solidarisch mit unseren Kameraden_innen und unterstützen nur die

Methoden der direkten Aktion, denn die Regierung fürchtet sich nur vor Gewalt und

vor nichts anderem.

Es ist wirklich lustig einige Kommentare über die Wahlkampagne in Internet Foren zu

lesen. Beide Clans, „Regierung der Republik Belarus“ und „Regierung der Russischen

Föderation“, widern uns an. Den armen Arbeiter_innen der beiden Länder wird dieses

Kämpfen um Macht nie etwas nützen. Es ist töricht, Politiker_innen zu imitieren.

Leute, kommt zur Vernunft! Ist es wirklich möglich jede Handlung des Protest mit

Theorien der Verschwörung zu erklären? Wir werden jeden Tag bestohlen und gedemütigt

- aber das führt nur zu Angst in den Augen und Geflüster in den Küchen. Es ist Zeit,

unsere Kräfte aufzubringen und zu glauben das wir eines besseren Lebens würdig sind.

Freiheit für alle gefangenen Kamerad_innen! Stopp der politischen Repression! Nieder

mit den Beamt_innen, Gangster_innen und Polizist_innen!

Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit!

Freund_innen der Freiheit

Dieses Communique wurde später wieder gelöscht, mit der Begründung es könnte

irreführend sein (Unklar ist, ob dies durch Indymedia Aktivist_innen oder durch die

Regierung iniziert wurde).

Später kursierte ausserdem die Information oder das Gerücht, dass die Solidarität

den beiden noch stets verhafteten Aktivisten Gaskarova Alexey und Maxim Solopovym

gilt. Diese wurden im Zusammenhang mit der Verteidigung des Khimki Waldes bei

Moskau, welcher abgeholzt werden soll um einer Autobahn Platz zu machen, verhaftet.

Freitag, 3. September 2010

Früh morgens wurden Ihar Bahachak (Igor Bogachek), Valeriya (Valeryja oder Valeria)

Khotina, Siarhej Slyusar (Syarhey, Siarhei oder Sergei Sliusar), Mikalay Dzyadok

(Mikalaj, Nikalai oder Nikolai Dedok), Alyaksei Zhinherousky (Aliaksiej oder Alexei

Zhynherouski oder Zhingerovsky), Anton Laptsyonak (Laptsionak oder Laptenok) und

Aliaksandar Frantskievich(Alyaksandr oder Alexander Frantskevich) verhaftet.

Communique:

Heute Morgen sind unsere Freund_innen und Kamarad_innen von der Polizei gekidnappt

worden. Sechs Leute werden vermisst. Wir haben es erst einige Stunden später

geschafft durch Nachbar_innen mehr von ihrer Entführung in Erfahrung zu bringen.

Diese sagten, dass Unbekannte in Polizeiuniform alle mitgenommen haben, die sich in

der Wohnung befanden. Das Schicksal dieser Menschen ist im Moment noch unbekannt.

Niemand reagiert auf Handyanrufe. Jeder Versuch etwas über ihren Aufenthaltsort in

den Polizeistationen von Minsk heraus zu finden, hat keine Resultate erbracht, weil

die Bullen jegliche Beteiligung (eventuell ist hier auch Verantwortung gemeint)

abstreiten. Die Wohnung eines anderen verhafteten Aktivisten wird von einer

Polizeipatroullie überwacht und diese Cops geben nichts über den Grund ihrer Präsenz

preis.

All diese Menschen sind soziale Aktivist_innen, die an diversen sozialen Bewegungen

mit dem Ziel Menschenrechte, Arbeiter_innenrechte und freien Zugang zu Informationen

zu verteidigen, teilhaben. Wir glauben, dass diese Entführungen direkt mit der Zeit

der „Wahlen“ in Belarus zusammenhängen, weil sich jedesmal wenn diese stattfinden,

die Repression gegen soziale Aktivist_innen durch die Authoritäten verstärkt. Sie

versuchen damit die Menschen am Zugang zu ungewollten Informationen zu hindern.

Wir halten es für Kidnappung, weil es noch stets keine Informationen über die

Schicksale der Menschen und über die Gründe ihrer Verhaftung gibt. Solche Aktionen

sind eine ernsthafte Verletzung der Rechte und Freiheiten jeder Person. Wir drängen

alle nicht gleichgültigen Leute, dabei zu helfen unsere Kamerad_innen zu finden und

über dieses Ereignis in den Medien Bericht zu erstatten. Wenn du Informationen hast

über den Fall oder uns irgendwie helfen kannst, schreib an „bla:bla:bla:“.

Es ist offensichtlich für uns, dass der Auslöser für die Repression das Ereignis in

der Nähe der Russischen Botschaft in Minsk, das am 30. August 2010 stattfand, war.

Eine Presseerklärung einer vorher unbekannten Gruppe von Anarchist_innen, welche

innerhalb von zwei Tagen öffentlich die Verantwortung für den Angriff erklärte, gab

dem Geheimdienst einen praktischen Grund für die einschüchternden Aktionen.

Update 23:35: Der Aufenthaltsort der Gefangenen ist noch immer unbekannt. Jedoch

wurde berichtet, dass Telefone, Computer und verschiedene Literatur von ihnen

beschlagnahmt wurde. Und das die Polizei fünf Aktivist_innen sucht.

Haltet Ausschau nach Updates.

Freund_innen und Kamerad_innen der Entführten.

Einige der Verhafteten haben vor kurzem eine Wohnung in einem der Quartiere von

Minsk angemietet. Um 6.00 Uhr morgens klingelte es an der Tür und als ein junger

Mann diese öffnete, stürmten zivile Agenten und SWAT Teams in die Wohnung, ohne

einen Ausweis oder andere erklärende Dokumente vorzuweisen. Alle Anwesenden wurden

verhaftet und zum Verhör ins GUBOP (Belarussisches Innenministerium, Hauptquartier

zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens) gebracht. Die Wohnung wurde durchsucht

und es wurden fünf Computer, zwei Laptops, Handys, SIM Karten, Harddrives, Geld,

Poster, Bücher und Hefte beschlagnahmt. Angeblich waren alle Verhafteten

Benutzer_innen von belarus.indymedia.org.

Alle offiziellen Stellen sowie die Polizei haben jede Stellungsnahme verweigert.

Am gleichen Tag wurde der Tod des berühmten 36-jährigen belarussischen

Oppositionsjournalisten Oleg Bebenin bekannt und diese Nachricht über alle möglichen

Kanäle verbreitet. Anfangs sprach die Polizei von Suizid, musste aber schon nach ein

paar Tagen zugeben, dass es vermutlich doch Mord war.

Für viele soziale Aktivist_innen und Anarchist_innen besteht klar ein Zusammenhang

zwischen dem Fund von Oleg Bebenin und den Verhaftungen der Anarchist_innen.

Samstag, 4. September 2010

Es wurde bekannt, dass sich die Verhafteten in der Haftanstalt an der

Okrestinastrasse in Minsk befinden. Das Pressecenter der Polizei von Minsk hat auf

Anfrage des ‘Europäischen Radios für Belarus’ erklärt, nichts von den Vorfällen zu

wissen.

Es fanden ausserdem Hausdurchsuchungen in anderen belarussischen Städten (u.a.

Salihorsk, Gomel und Grodno) statt.

Die Homepage khimkibattle.org distanziert sich von dem Angriff auf die Russische

Botschaft. Wir „haben keine Informationen, ob die Menschen hinter dieser Aktion sich

wirklich für Menschen interessieren oder ob es Aktionen von Provokateuren sind. Aber

wir sind davon überzeugt, dass solche Aktionen weder den gefangenen Kameraden noch

der Kampagne als Ganzes dienen.“ >Diese Spaltung muss unter den Umständen der

drohenden Repression und der Gesamtsituation in Russland und Belarus betrachtet

werden, was sie in der Meinung der Übersetzerin aber nicht entschärft oder

rechtfertigt.<

In der Nacht wurde ein Molotov Coctail auf die Wand und die metallene Vordertür der

Haftanstalt an der Okrestinastrasse in Minsk, in der die Anarchist_innen

gefangengehalten werden, geworfen.

Sonntag, 5. September 2010

Dieses Communique wurde versucht auf belarus.indymedia.org zu publizieren, wurde

aber blockiert und ist nur auf anderen Webseiten erschienen.

Die Polizei-Haftanstalt an der Okrestinastrasse in Minsk wurde am 4. September 2010

von einer Gruppe Anarchist_innen mit Molotov-Coctails angegriffen.

Nach einer radikalen Aktion auf die Russische Botschaft in Minsk begannen die

repressiven Institutionen des Staates mit einer noch nie dagewesenen Jagd auf

Anarchist_innen und andere soziale Aktivist_innen. Die Haftanstalten füllen sich mit

neuen Gefangenen. Im Allgemeinen sind die Inhaftierten junge Leute, welche nie an

radikalen Aktionen teilgenommen haben. Diese Leute machen nur friedvolle Propaganda

ihrer politischen Ansichten und nehmen an verschiedenen sozialen Initiativen teil,

aber im Moment werden sie mit jedem Scheiss, den sich die Polizei ausdenken kann,

beschuldigt.

Es scheint, als ob es den Polizist_innen und Agent_innen der Spezialeinheiten

einfach egal ist welche Menschen sie verhaften – sie denken nur an ihre Raporte an

die Regierung und ihre Bonuse und Beförderungen. Sie haben keine Ehre und kein

Gewissen – sie hatten es einfach nie.

Wir übernehmen die Verantwortung für alle radikalen Aktionen welche kürzlich

stattgefunden haben und erklären, dass alle Menschen die jetzt gerichtlich überprüft

werden – nicht teilgenommen haben an diesen Aktionen – wir kennen sie nicht einmal.

1937 unter Stalin war unser Land bereits mit einem solchen Terrorregime

konfrontiert. Die Wahlen sind nah und die diebische Regierung tut ihr Bestes um die

Macht zu behalten.

Aber keine Repression kann das angeborene menschliche Verlangen nach Freiheit und

Würde ersticken. Belarus wird ein freies und unabhängiges Land sein, in welchem die

höchsten Gesetze soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte sind – nicht

Unterwürfigkeit und Tyrannei. Und wenn es passiert – nehmt euch in Acht, ihr

Wachhunde!

Freiheit für Anarchist_innen und soziale Aktivist_innen! Stopp der politischen

Repression! Lang lebe direkte Demokratie und das freie Belarus!

Anarchisitsche Gruppe „Freund_innen der Freiheit“

Montag, 6. September 2010

Die am 3. September 2010 Verhafteten wurden nach der Maximalzeit von 72 Stunden ohne

Anklage freigelassen und direkt wieder festgenommen, diesmal unter neuen Vorwürfen.

Darunter ist z.B. die Teilnahme am Angriff vom 1. Mai 2010 auf das Gebäude der Trade

Union Federation in Minsk und ein Versuch die Vordertür einer Filiale der

Belarusbank anzuzünden. Ausserdem wurde vom Innenministerium bekanntgegeben, dass

bei einer Hausdurchsuchung Drogen gefunden wurden.

Freund_innen der Gefangenen haben ein Communique auf Indymedia publiziert, in dem

sie die Unschuld der Anarchist_innen betonen. Ausserdem haben sie eine

Internet-Unterschriftenliste gestartet, mit einem Brief an das Hauptbüro der

Staatsanwaltschaft, die Polizeihauptstation, den KGB und den Präsidenten in welchem

sie die Freilassung der Verdächtigten fordern.

Dienstag, 7. September 2010

Das Pressebüro des Innenministeriums hat bekanntgegeben, dass Schusswaffen-Patronen,

Rauschgift, Skimasken, und Bücher die Anarchie promoten bei den Hausdurchsuchungen

gefunden wurden. Ausserdem sei ein_e Verdächtige_r beireits für Drogenbesitz

verurteilt worden.

Mittwoch, 8. September 2010

Polizei und KGB Agenten haben Uladzimir Valdozin (Vladimir Volodin), Mitglied des

Rats der Belarussischen Grünen Partei und Anti-Nuclear Aktivist, Aliaksandar Buhajeu

und Tatsiana Sieminishchava (Tatsyana oder Tatiana Semenishcheva oder

Semyanishchava), soziale Aktivistin, die sich für Obdachlose (Food not Bombs) und

streunende Tiere einsetzt, verhaftet.

Während eines Verhörs hat Tatsiana Sieminishchava in der Gegenwart der

Ermittler_innen mit einem Brieföffner ihre Handflächen aufgeschnitten. Sie wurde mit

Erster Hilfe versehen und dann weiter befragt.

Es wurden auch Ihar Shchapiha (Igor Chepiga oder Chepiha), Mitglied der

unregistrierten, extremenrechten Oppositionspartei Pravy Alyans (Rechte Allianz) und

Sergei Popov von der ebenfalls unregistierten, extremrechten Freiheitspartei

(Partiya Svodody) festgenommen. Die beiden Rechtsextremen werden ebenfalls unter dem

Vorwurf, an dem Angriff auf die Russische Botschaft teilgenommen zu haben, in Haft

gehalten.

Donnerstag, 9. September 2010

Die sieben am 3. September 2010 verhafteten Anarchist_innen wurden zum zweiten Mal

entlassen um anschliessend sofort wieder festgenommen und in eine andere

Polizeistation verlegt zu werden. Die beauftragten Anwält_innen werden immer wieder

am Kontakt zu ihren Klient_innen gehindert, ihnen wird teilweise über mehrere Tage

nicht mitgeteilt, wo sich diese aufhalten oder sie können nicht an den Verhören

teilhaben. Im Allgemeinen stellen sie grobe Verstösse gegen das Belarusische Gesetzt

fest. Laut den Anwält_innen wurden bisher keine Beweise vorgelegt. Es hat die

Angeklagten niemand vor Ort gesehen, niemand hat sie als Täter_innen identifiziert

und es wurden keine belastenden Spuren auf ihren Kleidern oder anderem Material

gefunden. Es deutet vieles darauf hin, dass die Gesetzeshüter_innen vor allem darauf

aus sind, sich so gut wie möglich mit den Strukturen des sozialen Kreises, zudem die

Verhafteten gehören, bekannt zu machen.

Die Belarussische Grüne Partei hat ein eigenes Statement verfasst, in dem sie vor

allem auf die Freilassung und Unschuld ihres Mitgliedes Uladzimir Valdozin pochen.

Sonntag, 12. September 2010

Ihar Bahachak, Valeriya Khotina, Siarhej Slyusar, Alyaksei Zhingerovsky und Anton

Laptsyonak wurden ohne Anklagen entlassen.

Aliaksandar Frantskievich wurde in ein anderes Gefängins in Salihorsk (Solegorsk),

Region Minsk, verlegt. Er steht je nach (Zeitungs-)Artikel unter dem Verdacht,

selbst die Polizeistation von Salihorsk angezündet zu haben, oder aber dies in

Auftrag gegeben zu haben.

Mikalay Dzyadok wird unter dem Vorwurf des Raubs weiterhin in Haft bleiben. Auch,

Tatsiana Sieminishchava und Aliaksandar Buhajeu bleiben in Haft.

Dienstag, 14. September 2010

Aliaksandar Frantskievichs Haft wurde um weitere 10 Tage verlängert.

Tatsiana Sieminishchava wurde entlassen.

Freitag, 17. September 2010

Uladzimir Valdozin und Aliaksandar Buhajeu wurden entlassen.

Aus einem Bericht des ‘Europäischen Radios für Belarus’ geht hervor, dass die

Familien aller Inhaftierten bestätigen, dass diese sich an besagtem 30. August 2010

zu Hause aufgehalten haben.

Montag, 20. September 2010

Aliaksandar Frantskievich wurde offiziell für eine Attacke auf die Polizeistation

Salihorsk angeklagt. Er wird vermutlich vorerst in Haft bleiben, was bei dem

20-jährigen, der nur eine Niere hat, neben allem anderen auch ein gesundheitliches

Risiko mit sich bringt.

Dienstag, 21. September 2010

Eine Gruppe Anarchist_innen hat am Nachmittag gegen die weitreichende

Belarussische-Russische Militärübung Zapad 2009 (West 2009), die vom 18. bis 29.

September 2010 in Belarus stattfindet, protestiert. Sie liefen mit schwarzroten

Fahnen und einem Banner mit der Aufschrift „Die Menschen verhungern; das Militär

spielt“ über die Kamunistychanyastrasse Richtung Unabhängigkeitstrasse, Minsks

Hauptdurchgangsstrasse und riefen Slogens wie „Armee ist Sklaverei“. Während des 5-7

Minuten langen Protestes wurde „Belarus ist kein Militärgelände“ auf Wände gesprüht

und eine Rauchbombe über den Zaun in das Gelände des Generalstabs der Belarussischen

Streitkräfte geworfen, an welchem auch das Banner aufgehängt wurde. Danach

verschwanden alle schnell.

Am gleichen Tag hat die Polizei ebenfalls im Zentrum von Minsk bei einem friedlichen

Protest gegen die Präsenz russischer Truppen in Belarus durchgeführt von einigen

Dutzend Oppositionsaktivist_innen hart durchgegriffen. Mehr als 20 Protestierende

wurden verhaftet und die meisten davon wurden zu Bussen verurteilt.

Donnerstag, 23. September 2010

Am Morgen um 7.00 Uhr wurden Alexander Yaroshevich (Jarashevich), Journalist der

PostMedia Agentur, und Alena Dubovik in ihrer Wohnung verhaftet. Nach der

Hausdurchsuchung wurden sie ebenfalls in die „Kampf dem Organisierten Verbrechen“

Abteilung der Polizei gebracht. Sie werden verdächtigt an der Demo am 19. September

2009 teilgenommen zu haben und eine Rauchbombe auf das Gelände des Generalstabs der

Belarussischen Streitkräfte geworfen zu haben. In den den ganzen Tag dauernden

Verhören, wurden sie gefragt ob sie wissen, wer die Russische Botschaft am 30.

August 2010 und das „Shangri La“ Casino am 5. Dezember 2009 angegriffen hat. Am

Abend wurden sie ohne Anklage entlassen.

Auch Hanna Charnyshova wurde nach einer Hausdurchsuchung in ihrer Wohnung verhaftet

und derselben Punkte verdächtigt. Ihr Computer wurde beschlagnahmt.

In der letzten Zeit waren Alexander und Hanna aktiv engagiert in der Kampagne für

die gefangenen Anarchist_innen. Sie waren im Kontakt mit den Anwälten, Verwandten

und Freunden der Verhafteten und mit den Medien .

Freitag, 24. September 2010

Ihar Truhanovich wurde zum Verhör in die Polizeistation geholt und ist seitdem nicht

wieder zurückgekehrt. Seine Eltern haben von den Bullen nur die Auskunft erhalten,

dass er unter dem Vorwurf von Hooliganismus bis am 27. September 2010 in Haft

bleiben wird. Er hat noch keinen Anwalt.

Mikalay Dzyadok wurde verlegt und seine Haft um weitere 10 Tage verlängert. Zuvor

wurde er wie alle anderen immer nach 72 Stunden entlassen und unter einem neuen

Vorwurf verhaftet. Einmal z.B. für Hooliganismus. Er ist noch stets nicht offiziell

angeklagt, wird aber verdächtigt in einer Aktion gegen das Militär Manöver am 19.

September 2009 teilgenommen zu haben. Er und Aliaksandar Frantskievich haben gute

Anwälte.

Eine noch unbestätigte Information kursiert, die besagt, das zwei weitere Männer in

Salihorsk verhaftet wurden.

Es finden noch immer Hausdurchsuchungen in Minsk, Salihorsk, Homiel, Hronda und

Brest statt. Rund 20 Menschen aus Minsk, 12 aus Brest und etwa 10 in Hrodna wurden

in der letzten Woche durch den KGB verhört. Die meisten davon zählen zur

subkulturellen Jugendszene. Die Bullen haben ihnen Fotos von Konzerten gezeigt und

sie aufgefordert Leute zu identifizieren. Ausserdem wurden sie dazu gedrängt,

auszusagen, dass Mikalay Dzyadok die Aktion vom 19. September 2009 organisiert,

Menschen zur Aktion eingeladen, den Beteiligten Gasmasken gegeben hat und in der

fordersten Reihe gestanden ist. Den Verhörten wurde gesagt, dass wenn sie nicht

aussagen, sie Mittäter_innen werden. Sie wurden mit sexueller Gewalt durch andere

Gefangene, mit Ärger am Arbeitsplatz ihrer Eltern und der Aufnahme auf die Liste

derer, die keine Erlaubnis bekommen das Land zu verlassen, bedroht. >In Belarus

braucht man ausser für ein paar wenige (meist (ex)kommunisitsche) Länder für die

ganze Welt Visas um

aus- und einreisen zu dürfen.<

Am 30.September 2010 um 7.30 Uhr ist die Polizei in die Wohnung des sozialen

Aktivisten Barys Ashchepkau eingebrochen und hat ihn verhaftet. Barys hat geholfen

Verwante und Freund_innen der Verhafteten mit Menschenrechtsverteidiger_innen in

Kontakt zu bringen.

Barys wird vorgeworfen an den Aktionen gegen die West 2009 Militärmanöver am 19.

September 2010 teilgenommen zu haben.

Ausserdem wurde Ihar Truhanovich nach 6 Tagen wieder freigelassen. Es wurde keine

Anklage gegen ihn erhoben.

Auch Dzianis Bystryk wure festgenommen. Es gibt noch keine weiteren Informationen zu

seinem Fall.

 

Donnerstag 30. September 2010

Ihar Truhanovich wurde entlassen.

Dzianis Bystryk und Barys Ashchepkau wurden verhaftet.

Freitag 1. Oktober 2010

Mikalaj Dziadok wurde offiziell für die Teilnahme an den letztjährigen Protesten in

der nähe des Generalstabs des Verteidigungsministeriums angeklagt. Er wird in

Untersuchungshaft bleiben. In Belarus können diejenigen, die sich an Aktionen von

nicht registrierten Organisationen beteiligen, bis zu 2 Jahre Haft bekommen.

Sonntag 3. Oktober 2010

Barys Ashchepkau und Dzianis Bystryk wurden für weitere 72 Stunden in Haft genommen.


Einige Notizen zum besseren Verständnis:

- Die Beschreibung der Ereignisse ist aus einem subjektiven Standpunkt erfolgt.

- Alles kursiv Geschriebene sind Zitate aus auf Englisch veröffentlichten

(Zeitungs-)Berichten und Communiques, die meistens bereits aus dem Russischen

übersetzt wurden. Dadurch und duch die nicht professionelle Übersetzung sind

vermutlich Abweichungen entstanden.

- Weil bei der Übersetzung vom Russischen (Kyrillische Buchstaben) ins Englische

verschiedene Buchstaben gebraucht werden, zirkulieren verschiedene Namen für die

gleichen Personen. Die Übersetzerin hat versucht die durch unabhängige Medien

benutzten Namen zu gebrauchen. Diese stehen bei der ersten Erwähnung vor der

Klammer.

- Die vorhandenen Informationen sind teilweise sehr kontrovers. Dies liegt

einerseits an den Unterschieden der staatlichen und unabhängigen Berichterstattung,

an den ungenauen Übersetzungen, aber auch an dem nur sehr bruchstückhaften Zugang zu

Informationen. So ist z.B. in einem Artikel von sechs, in einem anderen von sieben

am 3. Septemer 2010 Verhafteten die Rede oder es wird in manchen Artikeln nicht

erwähnt, dass Aliaksandar Buhajeu auch am 8.September 2010 verhaftet wurde.

- Alle Geschehnisse müssen unter den Umständen der Situation in Russland und Belarus

betrachtet werden.

Belarus (eines der früheren USSR Ländern), auch bekannt als die letzte Diktatur

Europas, wurde schon des öffteren der Absenz von Menschenrechten bezichtigt.

Alexander Lukashenko ist seit 16 Jahren an der Macht und regiert dieses offiziell

demokratische Land mit eiserner Hand. Belarus und Russland haben auch nach der

Unabhängigkeitserklärung von Belarus stets eine enge Beziehung zueinander gepflegt.

Belarus ist z.B. wirtschaftlich von Russland abhängig. Die diplomatischen

Beziehungen haben sich in letzter Zeit aber stark abgekühlt und Lukashenko kann sich

keiner hundertprozentigen Unterstützung vom russischen Kremel mehr sicher sein. Dies

bedeutet eine kleine Öffnung für die Opposition um dem Regim ein Ende zumachen – was

wiederum eine Verschärfung der Repression der jetzigen Regierung zur Folge hat.

Belarus ist ein für Europa vergleichsweise armes Land. Die staatliche Propaganda und

Kontrolle ist sehr stark, die Medien zensiert, die Bürger_innen staatstreu. Die

anarchistische Bewegung und alternative Szene ist sehr klein und hat einen harten

Stand. So kann z.B. bereits das Aufkleben eines Stickers zu Gefängnisstrafen führen.

- Die Polizei in Belarus ist korrupt und in einer beinahe unantastbaren

Machtposition. Dies lassen sie, selbst bei einer Routinekontrolle oder einer kleinen

Formularangelegenheit, alle die nur ein wenig widersprechen spüren.

- Bis Anhin ist nur die Adresse von Mikalay Dzyadok veröffentlicht worden. Diese

lautet Belarus, Minsk, Valadarskaha str. 2, Mikalay Dzyadok.

- weitere Informationen und die Kontaktaufnahme (z.B. für Soligeld für

Anwaltskosten) kann über minsksolidarity[at]riseup.net stattfinden.